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Rebekkas Reportage - Kleiderklammer

Rebekkas Reportage

Kleider, an die man sich klammert

Das ist das Motto für Kleiderklammer, ein Projekt von Johanna Jörg aus Burgeis. Mit ihren selbst genähten Klamotten will sie der billigen Fast Fashion den Kampf ansagen und Kleider schaffen, die einzigartig und langlebig sind.

Die Nähmaschine rattert und bearbeitet Stück für Stück das feine, beige Leinen. Stich für Stich wird der weiße Faden durch die Fasern gezogen und hinterlässt immer dort eine helle Naht, wo der Stoff vom glänzenden Metall berührt wird. Eine junge Hand bedient das surrende weiße Gerät und zieht den Stoff langsam und gleichmäßig durch die, sich auf und ab bewegende, Nadel.

Dieser Prozess gehört zum Alltag der 22-jährigen Grafikdesignerin, wie für andere die tägliche Tasse Kaffee. „Di earschte Tasch honni mit an guatn Stoff fo dr Mama gmocht und olls fa Hond gneiht“, erzählt Johanna, „nor hottsi gschumpfn, wos i denn mit dein guatn Stoff tua.“ Damals war die Burgeiserin erst 7 Jahre alt. Schon als Kind wollte sie Dinge selbst machen und hat von ihrer Mama stricken und nähen gelernt. Das Nähen wurde mit den Jahren zu ihrer Leidenschaft und sie entwickelte den Wunsch ihre Werke mit der Welt zu teilen. Mit Kleiderklammer hat sie sich diesen Wunsch erfüllt. „I will Kleider mochn, an dia man sich klommert und dia man ounlegg bis sie as olle Fetzn folln.“, bekräftigt Johanna. Sie hält nichts von der kurzlebigen Fast Fashion.

Diese schnelle Mode hat das Ziel viele Trends in kürzester Zeit herzustellen. Dabei soll möglichst an Geld gespart werden und auch die Qualität spielt keine große Rolle. So kommen pro Jahr schon mal 24 neue Kollektionen auf den Markt. Bei der sogenannten Ultra Fast Fashion auch 4500 Teile in der Woche. Kleidungsstücke werden sehr schnell out und man muss sich nach wenigen Wochen schon etwas Neues kaufen, um den Trends folgen zu können.

Johanna will sich so gut es geht von diesem wenig nachhaltigen Kreislauf fernhalten und näht sich fast alles aus ihrem Kleiderschrank selbst. So sind mittlerweile 90% ihrer Klamotten selbstgenäht. „Wenni in Koschtn innischaug, suachi ollm zearsch di selbstgmochtn Sochn ausi. Earsch wenn olls in dr Wasch isch, leigi eppas onders oun“, lacht sie. Kaufen will sie nur noch Sportsachen und die braucht sie nicht so oft.

Die Luft in der großen Halle in Bangladesch ist stickig und schwül. Mehrere hundert Arbeiter und Arbeiterinnen sitzen an den langen Tischen und bearbeiten die, nach Färbemitteln stinkenden Stoffe. Tag für Tag und Stunde um Stunde fertigen sie das gleiche rote T-shirt mit dem schwarzen Blumenmuster an. Ihre Finger sind wund und die rote und schwarze Farbe hat auf die müden Hände abgefärbt. Die Sonne geht schon unter und die Dämmerung legt sich unaufhaltsam auf die arbeitenden Menschen. Über den Arbeitsflächen hängen nur vereinzelt schwache Glühbirnen, die meisten der kleinen Lämpchen sind schon seit Monaten erloschen und spenden den hoffnungslosen Gesichtern kein Licht mehr.                                                                                                                                   

Die Realität unserer vielfältigen, bunten Bekleidungsgeschäfte ist oft düster und grausam. Das rote T-shirt mit dem schwarzen Blumenmuster, das im H&M an der Kleiderstange hängt, wird in Ländern, wie Bangladesch hergestellt. Die Arbeiter dort produzieren unsere Kleider für einen Hungerslohn. Der Mindestlohn einer Angestellten in Bangladesch beträgt 61 Euro im Monat und es kommt oft vor, dass die Summe unter diesem Wert liegt. So werden Produktionskosten gespart und das T-shirt kostet im Geschäft nur noch fünf Euro. „Viel zu wenig“, findet die 22-jährige Burgeiserin. Sie macht für Kleiderklammer von A-Z alles selbst und sagt:„Viele Leit wissen gorit wia viel Orbat hinter sou an oanzelnen Kleidungsstickl steckt.“ 

Zu Beginn eines jeden Kleidungsstücks steht die Idee. Johanna lässt sich von der Nähcommunity in den sozialen Medien oder von den Klamotten anderer Leute inspirieren. Deshalb sieht sie oft nur noch, was die Menschen in ihrem Umfeld tragen. „Wenn man do amol drin isch, schaug man die Leit nimmr in die Augn“, gesteht sie und lacht. Als nächstes wählt sie Stoff und Schnitt aus. Soll das Oberteil lässig sein oder elegant und eng anliegend? Leinen oder doch die allseits beliebte Baumwolle? Nachdem diese Fragen beantwortet sind, muss das Schnittmuster gedruckt, ausgeschnitten und auf den Stoff gelegt werden, um auch diesen aus- und zuzuschneiden. Dann wird das Zubehör, wie Knöpfe, Reißverschluss und natürlich der Faden ausgewählt. Schlussendlich näht Johanna die verschiedenen Teile zusammen, bügelt den Stoff immer wieder und fügt oft noch Einlagen hinzu. „Der gonze Prozess dauert ewig long, nor mochi viele Fahler und fluach viel mear“, witzelt die Burgeiserin. Aber das ist es ihr wert, denn sie weiß, sie hat das Kleidungsstück selbst genäht und schätzt es viel mehr als ein billiges T-shirt aus dem H&M.

„Gwond hot an Wert und vielmear an Wertschätzung verlourn“, meint die 22-Jährige. In Deutschland werden pro Jahr durchschnittlich sechzig neue Klamotten gekauft. Insgesamt besitzen die Leute 5,2 Milliarden Kleidungsstücke. Davon werden Hosen, Jacken und Kleider über drei Jahre getragen. T-shirts, Schuhe und Pullover haben nur noch eine Tragedauer von einem bis drei Jahren. Für Johanna gilt: Qualität vor Quantität. „I gib liaber mear Geld fir a guater Jagg aus, dia i nor 10 Johr ounhonn, als wia wenni olle 2 Johr a nuie kaf, lei um a nuie Jagg zu hobm“, meint sie. Ihre Kleiderklammer-Kleider sollen so lange wie möglich getragen und auch noch ein paar Mal geflickt werden, bevor sie in der Altkleidersammlung landen.                                                                                                                                   

Auf dem Tisch liegt ein dickes, abgewetztes Buch. „Do sein olls nochholtige Modelabels drin“, erklärt Johanna, denn sie weiß: nicht alle Menschen können nähen und sich ihre Kleidung selbst machen und für diese Mehrheit gibt es mittlerweile viele nachhaltige und faire Möglichkeiten sich einzukleiden. Eine billige Möglichkeit sind second-hand Läden und Onlineshops, denn Kleider können von mehr als einer Person für länger als drei Jahren getragen werden. Johanna ist ein großer Fan von Tauschpartys mit Freunden oder Bekannten. Oftmals hat eine Freundin gerade das T-shirt, was man sucht und will es wegschmeißen. „Sou kriag man eppas nuis und muas nichts drfir zohln“, freut sie sich.  Oder man schreibt Johanna eine Nachricht auf dem Account von Kleiderklammer und bekommt ein einzigartiges, mit Liebe und Sorgfalt angefertigtes Kleidungsstück, das man so lange tragen kann, bis es nur mehr aus Fetzen besteht.

Einige Stunden und viel Gefluche später nimmt das beige Leinenoberteil Gestalt an. Johanna näht mit konzentriertem Gesichtsausdruck den letzten handgemachten Holzknopf an den Stoff. Das letzte Mal kontrolliert sie die hellen, sauberen Nähte und die, mit Sorgfalt angenähten Knöpfe. Ein Lächeln breitet sich auf ihrem Gesicht aus. Sie ist zufrieden und stolz auf das Ergebnis. Sie steckt die Nähmaschine aus, gähnt und hängt ihr Werk auf einen Kleiderbügel. Dort wartet das beige Leinenshirt auf seinen finalen Besitzer, der es hoffentlich mit gleich viel Liebe trägt, wie es geschaffen wurde.

Autorin: Rebekka Jörg